Blauzungenkrankheit (BT)
Blauzungenkrankheit (BT)
- Blauzungenkrankheit – Was ist das genau und welche Tiere sind betroffen?
- Symptome und Krankheitsverlauf
- Prophylaxe? Impfung?
- Therapie
- Aktuelle Ausbreitung, Zukunftsperspektive
1. Blauzungenkrankheit –
Was ist das genau und welche Tiere sind betroffen?
Die Blauzungenkrankheit (Bluetongue disease – BT) ist eine Viruserkrankung, ausgelöst durch das BT-Virus, ein Orbivirus aus der Familie der Reoviren. Es handelt sich dabei um ein unbehülltes, doppelsträngiges RNA-Virus. Zurzeit sind 24 verschiedene Serotypen bekannt, die alle unterschiedlich stark ansteckend sind.
Die bisher in Europa vorkommenden Serotypen sind Serotyp 8 und 1. Im Oktober 2008 wurde in den Niederlanden BTV-6 festgestellt. Die aktuell vorkommende Variante ist BTV-3.
Das BTV betrifft Wiederkäuer im Allgemeinen, Schafe, Rinder und Ziegen im Besonderen. Schafe, insbesondere Lämmer, zeigen meist die stärksten Symptome, Rinder und Ziegen erkranken weit weniger dramatisch, sind aber ein Reservoirwirte.
BT ist eine sog. vectorborne bzw. insectborne disease, heißt sie wird durch Stechinsekten übertragen. Verantwortlich dafür sind meist Gnitzen, kleine Mücken der Gattung Culicoides. Auch andere Stechinsekten (Stechmücken, Zecken, Schaflausfliegen etc.) können BTV übertragen, es gibt bisher jedoch keine Studien wie häufig bzw. wie effizient die Virusübertragung durch andere Stechinsekten erfolgt.
Bei einer Blutmahlzeit an einem infizierten Tier nimmt die Mücke das im Blut zirkulierende Virus auf. Das BTV vermehrt sich nun in der Mücke und gelangt auch in die Speicheldrüse des neuen Wirtes – von dort aus wird das Virus beim nächsten Saugakt auf ein anderes Tier übertragen. Der Vermehrungszyklus in der Mücke dauert 10-15 Tage, die Mücke bleibt daraufhin ihr Leben lang infiziert und trägt das Virus weiter.
Ein weiterer möglicher Übertragungsweg ist der Deckakt: durch ein infiziertes männliches Tier während der Virämie (das Virus zirkuliert im Blut) ist eine Übertragung auf das weibliche Tier möglich. Ebenso kann eine diaplazentare Infektion vom trächtigen Muttertier auf den Fötus erfolgen. Auch durch Verwendung der gleichen Injektionsnadeln z.B. beim Impfen der Herde, kann eine Übertragung von Tier zu Tier möglich sein.
BTV ist keine Zoonose, es sind bisher keine Ansteckungen bei Menschen bekannt.
2. Symptome und Krankheitsverlauf
- Inkubationszeit: 2-15 Tage
- 6-8 Tage anhaltendes Fieber
- Hyperämie (Mehrdurchblutung) der Kopfschleimhäute
- Ödeme (Wasseransammlungen und somit Schwellungen des Gewebes) an Lippen, Augenlidern und Ohren
- Zyanose der Zunge (blaurote Färbung, daher der Name „Blue tongue“)
- Im weiteren Verlauf Schleimhauterosionen und –geschwüre
- Schaumiger Speichel- und Nasenausfluss
- Atembeschwerden
- Entzündungen am Klauensaum und in den Skelettmuskeln 🡪 Lahmheit
- Degeneration der Halsmuskeln möglich
- Bei tragenden Tieren Abort oder Geburt missgebildeter Tiere
Differentialdiagnosen:
- MKS
- Lippengrind
- Moderhinke
- Photosensibilisierung
- BKF
- IBR
- BVD/MD
- Stomatitis vesicularis
Nachweis der Erkrankung:
- Serologischer Nachweis von BTV-Antikörpern mittels ELISA-Test aus EDTA-Blut
- Es ist auch direkter Nachweis mittels Immunfluoreszenstest (IFT) oder ein Genomnachweis mittels RT-PCR möglich.
Es handelt sich um eine anzeigepflichtige Tierseuche!
d.h. die Erkrankung oder auch nur der Verdacht der Erkrankung sind anzeigepflichtig und muss unverzüglich dem zuständigen Veterinäramt gemeldet werden.
nähere Infos hierzu: https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierseuchen/anzeigepflichtige-tierseuchen.html
3. Prophylaxe? Impfung?
Eine Impfung gegen das BTV ist möglich – Aber: Es gibt Impfstoffe für die Serotypen 4 und 8, derzeit allerdings noch nicht für den aktuell grassierenden Serotyp 3. Leider gibt es keine Kreuzimmunitäten, sodass die anderen Impfungen keinen zusätzlichen Schutz darstellen. Eine Prophylaxe gegen Ektoparasiten bzw. Stechfliegen scheint derzeit die einzige und nicht sehr sichere Schutzmaßnahme zu sein.
Infos rund um die BTV-Impfung: https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/openagrar_derivate_00022148/Verfuegbarkeit-BTV-Impfstoffe_13-06-2019.pdf
4. Therapie
Erste Maßnahme ist das Einschalten des zuständigen Amtstierarztes (umgehende Anzeigepflicht). Eine Therapie zur Eliminierung der Erkrankung ist nicht möglich. Eine begleitende Therapie (Schmerzmittel/Entzündungshemmer, Pflege und Verhindern bakterieller Sekundärerkrankungen verhindern von Schwäche durch mangelnde Nahrungsaufnahme) ist das einzige, was unternommen werden kann.
Die Prognose ist meist Recht gut, die Letalität liegt beim Schaf bei weniger als 30%, bei anderen Wiederkäuern ist der Verlauf meist sehr mild, kann aber in seltenen Fällen dennoch tödlich sein.
Gemäß der Verordnung zum Schutz gegen die Blauzungenkrankheit (22.03.2002, Neufassung 30.06.2015) kann das zuständige Amt bei einer amtlich festgestellten Erkrankung mit BTV die Tötung der Tiere auf dem betroffenen Betrieb anordnen, sofern dies die Ausbreitung der Seuche verhindert (§5 (2)). Es kann aber auch eine regelmäßige Kontrolle und eine Insektizidbehandlung anordnen (§3).
Näheres hierzu: https://www.gesetze-im-internet.de/blauzungenv/BJNR124100002.html
5. Aktuelle Ausbreitung, Zukunftsperspektive
Aktuell (10.11.2023) gibt es bestätigte Fälle in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Niedersachsen und die Hanstestadt Bremen haben bereits ihren „BT-Frei“-Status verloren. Hier kam es zu 4 Fällen, sowohl bei Schafen als auch bei Rindern. Insgesamt gibt es derzeit 5.000 Orte, an denen BT nachgewiesen wurde – sowohl bei Schafen und Rindern als auch bei Lamas, Alpakas und Ziegen.
Wenn die Temperaturen sinken, stellen die Gnitzen ihren Flug ein, wir bekommen eine Pause zum Aufatmen – im Frühjahr wird das Problem vermutlich weitergehen. Bis ein Impfstoff entwickelt wurde haben wir keinerlei Schutzmöglichkeiten für unsere Tiere. Sobald ein Impfstoff auf dem Markt ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Impfung aus Seuchenschutzgründen verpflichtend wird.
Auf der Seite des Friedrich-Löffler-Instituts gibt es regelmäßige Updates zur Ausbreitung des BTV: https://www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/blauzungenkrankheit/